beißhemmung trainieren

Beim Thema Beißhemmung trainieren ist ein Mittelweg fast noch wichtiger, als bei allen anderen Themen beim Hundetraining. Stellt jemand in den sozialen Medien oder in Foren eine Frage zur Beißhemmung bei Welpen, stammt die Antwort oft von einer von zwei Seiten:

  • Die einen fordern, man solle jetzt endlich „hart durchgreifen“ und raten dabei nicht selten zu Methoden, die unnötig grob und wenig souverän sind.
  • Die anderen möchten allein mit positiver Bestärkung und sanften Methoden trainieren, währen die Posterstellerin gerade weinend mit blutigen Bissabdrücken auf den Händen dasitzt und langsam Angst vor dem eigenen Hund bekommt.

Aber keine Sorge, es gibt den richtigen Mittelweg! Spoiler: Dieser ist für verschiedene Hundetypen sehr unterschiedlich und immer höchst individuell. Wir schauen uns alle Möglichkeiten an.

Was ist die Beißhemmung?

Für Hintergrundinformationen empfehle ich dir, zunächst meinen Artikel „Was ist Beißhemmung bei Welpen?“ zu lesen.

Dort findest du auch die zwei Varianten aufgezeigt, die es gibt. Denn grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, die sich in der Zielsetzung unterscheiden. Das Training ist aber immer ähnlich:

  • Dein Welpe soll auf keinen Fall beißen. Menschliche Haut ist also komplett tabu! Das ist empfehlenswert, wenn kleine Kinder im Haushalt leben oder du einen der Welpen hast, die „bissiger“ sind als andere – mehr dazu unten.
  • Dein Welpe darf gerne in Hände beißen, aber nur dosiert und so, dass es nicht wehtut. Das ist empfehlenswert, wenn du Beißspiele mit dem Hund für das soziale Miteinander beibehalten möchtest und dein Hund dabei sowieso eher sanft vorgeht und nicht zu stark hochdreht.

Hilfe, der Welpe beißt! Wann ist es ein Anzeichen für Überforderung beim Hund?

Zuerst einmal ist es völlig normal, dass Welpen anfangs beißen, wenn ein Hund neu einzieht. Erstaunlich, dass viele Welpenbesitzer das vorher aber noch nie gehört haben und dann natürlich erschrocken sind.

Einige Welpen sind dabei eher zurückhaltend und man muss kaum üben. Andere hingegen können auch erfahrene Hundehalter an ihre Grenzen bringen. Wie du für jeden Hundetyp das richtige Training findest, zeige ich dir nachher.

Allerdings gilt erst abzuklären, ob sonst alles gerade „rund läuft“. Beißt ein Welpe nämlich sehr stark, ist ständig aufgedreht und lässt sich kaum herunterfahren, steckt dahinter oft Überforderung. Vielleicht hast du zu viel mit dem jungen Hund unternommen und er hatte keine Zeit, die Eindrücke zu verarbeiten?

So bringst du mehr Ruhe in den Welpenalltag:

  • Mehr Entspannung und mehr Ruhezeiten
  • Weniger Ausflüge
  • Nur sehr kurze Trainingseinheiten für ganz junge Welpen (wenn überhaupt), das hat alles Zeit
  • Kurze Gassigänge, vor allem kein zu langes Spazierengehen mit der Leine, die für junge Hunde anfangs immer mit einer ungewohnten Einschränkung (= Stress) verbunden ist
  • Keine wilden, aufputschenden Spiele sondern eher ruhiges Spiel
  • Ausreichend Kontakte zu anderen Hunden, aber danach auch immer wieder Ruhetage, an denen die aufregenden Begegnungen verarbeitet werden können
  • Mein Tipp: Statt Gassi gehen, lieber auf eine Wiese fahren und den Welpen dort einfach frei (oder mit einer leichten Schleppleine) nach Lust und Laune erkunden lassen, ohne „Strecke machen“ zu wollen

Beißhemmung trainieren: 4 Trainingsmethoden + was nicht funktioniert

So reagierst du ruhig, souverän und als „Rudelführer“ (ich bevorzuge die Bezeichnung „Familienoberhaupt“), wenn die Welpe beißt:

1. Spiel abbrechen, wenn der Welpe beißt

Bei manchen Hunden reicht es aus, das Spiel sofort zu beenden, wenn der Welpe beißt. Entziehe ihm die Hand und wende dich deutlich vom Hund ab.

Allerdings funktioniert das nicht immer. Einige Hunde setzen dann nach, drehen hoch und akzeptieren deine Grenze nicht. Dann solltest du andere Methoden nutzen.

Lies dazu auch im letzten Abschnitt in diesem Artikel, welche Hunde und Hunderassen oft länger brauchen, um die Beißhemmung zu erlernen, und eher kleine „Schnappis“ sind.

2. Auszeit durch Festhalten

Einige Hunde lassen sich gut herunterfahren, wenn man sie sanft festhält. Dafür setze ich den Hund zwischen meine Knie, lege eine Hand auf seine Brust und schlinge den anderen Arm um den Bauch.

Manche Hunde regeln sich dann sofort herunter und entspannen. Oder respektieren zumindest das Fixieren und halten still. So nimmst du die Dynamik aus einem wilden Beißspiel.

Auch hier gilt wieder, dass einige Hunde das nicht so einfach hinnehmen. Dann solltest du das Festhalten aber unbedingt in ruhigeren Situationen üben. Denn auch beim Tierarzt oder bei Pflegemaßnahmen muss dein Hund sich später von dir halten lassen.

3. Beißen souverän abbrechen

Soll der Welpe grundsätzlich nie in Hände beißen (auch nicht sanft) oder hat dein Welpe gerade mit Schmackes so richtig schmerzhaft zugebissen (das kann bei einigen Welpen sogar bluten)?

Dann ist eine souveräne und klare Maßregelung wichtig. Niemals mit Wut im Bauch reagieren, dann wird man entweder zu grob oder wirkt nicht souverän. Besser: Überlege dir vorher, was du tun möchtest. Gehe das in Gedanken durch und agiere im Bedarfsfall dann sehr schnell und deutlich, aber ruhig.

Je nach Charakter des Hundes kann das ein Wegziehen der Hand und deutliches „Ey!“ oder „Pfui!“, verbunden mit einem scharfen Blick sein. Andere Hunde muss man (leicht) wegschieben oder sogar etwas gröber kurz wegschubsen. Einige Nutzen auch einen kurzen Schnauzgriff, der aber so dosiert sein muss, dass der Welpe deutlich erschrickt, aber nicht wirklich Angst bekommt.

Der wichtigste Punkt dabei: Sobald der Welpe sich daraufhin zurücknimmt und die Hand in Ruhe lässt, wartest du ein, zwei Sekunden ab und bist dann sofort wieder weich, freundlich und zugänglich. Bitte aber nicht zu doll loben, sonst geht das wilde Spiel oft direkt wieder weiter. Besser einfach körpersprachlich und mit der Stimme signalisieren, dass das alles war, was du wolltest: einfach nicht so stark beißen.

Hier kann dir ein Trainer vor Ort helfen, falls du wenig Hundeerfahrung hast (oder bisher keine Erfahrung mit Welpen oder mit genau diesem Hundetyp).

4. Beißen umleiten

Ist der Welpe gerade in Beißlaune, lässt sich das oft auch so umleiten, dass nicht die Hände das Ziel sind. Sorge für ausreichend Spielzeuge, die für Welpen geeignet sind.

Vorsicht: Mit Umleiten ist nicht gedacht, dass du beim Biss in die Hände dann mit dem Spielzeug wedelst. Das kann vom Hund sonst als Belohnung aufgefasst werden.

Besser: Gleich mit Spielzeug spielen, wenn du merkst, dass der Welpe in eine beißfreudige Laune kommt. Oder du brichst einen Biss in die Hand ab und der Hund bekommt das Spielzeug, nachdem er sich für einige Sekunden zurückgenommen hat.

Aus meiner Sicht keine Lösung: Ignorieren oder Auszeit in der Box

Ignorieren ist bei Bissen in die Hand oder ins Hosenbein absolut keine Lösung und kein Hundetraining. Immerhin tut der Welpe dir gerade weh, das muss, darf und soll er ja auch merken.

Genauso wenig finde ich die Box in diesem Fall geeignet. Beißt der Welpe zu stark, verordnen ihm manche Hundehalter eine Auszeit in der Box. Allerdings lernt der Hund dabei nichts, denn die Konsequenz für das Beißen kann er nur zuordnen, wenn sie sofort (spätestens zwei Sekunden danach erfolgt).

Die Box hilft in dem Fall nur, damit der Hund herunterfährt. Das sollte idealerweise aber auch ohne Einsperren zu vermitteln sein und weist oft eher darauf hin, dass generell etwas im Argen liegt. Oft wird der Hund im Alltag überfordert und es wird keine Ruhe vermittelt. Es gibt nur wenige Hunde, wo ich eine Box für nötig halte und diese muss dann langsam und positiv als Rückzugsort aufgebaut werden.

Und was ist nun der Mittelweg beim Training der Beißhemmung?

Mittelweg heißt: Passe das Training an den Hund an.

Nicht nur an den individuellen Hund oder die Rasse, auch daran, wie dein Hund gerade drauf ist.

Die vier angesprochenen Methoden sind deshalb nie unabhängig voneinander. Nutze das, was im jeweiligen Moment funktioniert.

Wichtig ist die Konsequenz. Beißen sollte nie okay sein und immer unangenehme Konsequenzen für den Welpen haben! Diese Konsequenzen müssen aber nicht grob oder laut sein. Im Gegenteil, das kann wilde Exemplare oft sogar noch mehr hochpuschen.

Beißhemmung trainieren bei großen und kleinen Hunden: Gibt es Unterschiede?

Natürlich muss man kleine Hunderassen genauso zur Beißhemmung erziehen wie große. Allerdings wird das leider nicht immer so gehandhabt.

Ist die Rasse an sich schon klein, sind die Welpen noch viel kleiner. Wenn sie mit ihrem winzigen Mäusezähnchen an den Händen nagen, finden das viele Besitzer eher niedlich.

Hinzu kommt, dass Hundebesitzer sich bei großen Hunden oft mehr Sorgen machen, wie sie auf andere Menschen wirken. Vor großen Hunden haben viele Menschen sowieso eher Angst, und wenn der Hund dann auch noch schnappt – ein No-Go. Genauso ist aber selbstverständlich auch bei Kleinhunden tabu, dass irgendjemand gebissen wird, egal ob Familienmitglied oder Fremder!

Allerdings muss man auch zugeben, dass es bei den Kleinhunderassen sehr viele Rassen gibt, die von Haus aus eher sanft sind und gar nicht so wild beißen. Beispielsweise die Bichons (Havaneser, Malteser und so weiter). Die kleinen Terrierrassen gehören aber definitiv nicht dazu!

Bei den großen Hunderassen gibt es mehrere Rassen, die eher stärker beißen. Mehr dazu im nächsten Abschnitt. Aber auch hier gibt es wieder sehr sanfte Vertreter wie Labrador oder Golden Retriever. Retriever sind dafür gezüchtet, mit „weichem Maul“ zu apportieren, und lernen deshalb oft sehr schnell eine zuverlässige Beißhemmung. Ausnahmen bestätigen aber wie immer die Regel.

Diese Rassen brauchen oft länger für die Beißhemmung

Vorab: Dies soll die genannten Rassen auf keinen Fall in ein schlechtes Licht rücken. Im Gegenteil, alle genannten Hunde sind tolle, lernwillige Hunderassen. Sie alle bringen aber züchterisch einige Eigenschaften mit, die viele Vorteile haben können, aber oft auch mit sich bringen, dass die Beißhemmung schwerer erlernt wird, als bei anderen Rassen.

Beißhemmung traininieren: Hütehunde und Treibhunde

Hütehunde sind dafür gezüchtet, schnell auf Bewegungen zu reagieren. Immerhin sollen sie Tiere, die aus der Herde ausscheren, erkennen und zurücktreiben. Dafür ist es bei einigen Rassen auch erwünscht, dass sie das Vieh in die Hacken zwicken, wenn es sich nicht körpersprachlich bewegen lässt.

Das heißt, diese Hunde sind so veranlagt, dass „Zuschnappen“ durchaus zu ihrer Genetik gehört. Das muss nicht negativ sein, dafür haben sie sehr viele andere Vorteile, allen voran der große Will-to-please, durch den sie dafür sehr schnell lernen. Die Beißhemmung trainieren klappt deshalb oft trotzdem gut, wenn du konsequent bei der Sache bleibst.

Typisch ist bei den wilderen Welpen aus diesen Rassen aber auch, dass sie bei Verunsicherung eher noch mehr schnappen oder nachsetzen, wenn man sich entziehen will. Hier ist eine Kombination aus Ruhe, Konsequenz und Impulskontrolle essenziell.

Typische Rassen sind bei den Hütehunden der Australian Shepherd und Border Collie, bei den Treibhunden der Cattle Dog oder der Appenzeller Sennenhund (von Hundetrainern liebevoll aber ehrlich auch manchmal „Schnappenzeller“ genannt).

Beißhemmung trainieren: Gebrauchshunde

Unter Gebrauchshunden versteht man Hunderassen, die als Dienst- oder Schutzhund eingesetzt werden. Für den Schutzhundesport (VPG) oder als Militär- und Polizeihund war es züchterisch erwünscht, dass die Hunde auf Kommando zubeißen und den Biss halten.

Kein Wunder also, dass Hunde wie der Deutsche oder Belgische Schäferhund, aber auch Rottweiler, Dobermann oder Riesenschnauzer auch als Welpe nicht zu den sanften, weichmauligen Welpen gehören.

Hier solltest du nicht den Fehler machen, dass du denkst, dass diese Hunde eine besonders harte Hand brauchen. Was sie aber brauchen, ist besonders viel Konsequenz und eine klare Anleitung, was erwünscht ist und was nicht.

Beißhemmung trainieren: Terrier

Viele Terrierrassen sind liebenswerte Clowns und oft bis ins hohe Alter noch verspielt. Sie sind aber auch Jagdhunde.

Das hat oft den Effekt, dass die Welpen auf ihre verspielte, überbordende Art und Weise vor nichts Halt machen und beherzt zubeißen. Sanft sind Terrier nicht gerade. Dafür aber auch sehr lernwillig, sodass man gerade mit der Umleitungs-Methode (siehe oben) hier oft gute Erfolge hat.

Beißhemmung trainieren – ein Fazit

Die Beißhemmung hat noch jeder Welpe gelernt. Bei einigen Rassen dauert es unter Umständen länger, während andere Hunde fast von selbst lernen, dass man mit Menschen nicht so grob spielen kann, wie mit Artgenossen.

Am besten funktioniert das Training der Beißhemmung, wenn du direkt beim Einzug deines Welpen damit startest. Aber auch wenn du bisher das Training versäumt hast und sich das Beißen beim Welpen schon gefestigt hat, kann man noch gut gegensteuern.

Also nur Mut: Bleibe ruhig, bleibe konsequent, sei der liebevolle, wohlwollende „Bestimmer“ in der Familie, der den kleinen Hund zu einem angenehmen Miteinander erzieht. Dann ist auch die Beißhemmung bald fest etabliert.

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